Insolvenzantragspflicht: Das Wichtigste in Kürze
Juristische Personen müssen in dem Moment Insolvenz anmelden, in dem ihre Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung erkennbar ist. Damit gilt die Antragspflicht vor allem für sogenannte Kapitalgesellschaften wie die GmbH.
Nein. Sie sind nicht verpflichtet, die Insolvenz zu beantragen. Es steht ihnen aber frei, Privatinsolvenz anzumelden. Ob und wann das sinnvoll ist, erklärt ihnen eine Schuldnerberatung oder ein auf Insolvenzrecht spezialisierter Anwalt.
Nein. Die Insolvenzantragspflicht gilt für Einzelunternehmen nicht, weil sie im Falle der Insolvenz (auch) mit ihrem privaten Vermögen haften. Selbstständige, Freiberufler und gewerbetreibende Kaufleute können also selbst entscheiden, ob sie einen Insolvenzantrag stellen oder nicht. Eine genaue Erläuterung finden Sie hier.
Inhaltsverzeichnis
Wirtschaftliche Bedeutung der Insolvenzantragspflicht
Nach dem Insolvenzrecht besteht in bestimmten Fällen eine Insolvenzantragspflicht. Dann muss der Schuldner zwingend die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragen. Diese in § 15a Insolvenzordnung (InsO) verankerte Regelung soll einerseits das betroffene Unternehmen schützen, aber andererseits auch dessen Gläubiger:
- Ein fahrlässig oder mutwillig verzögertes Insolvenzverfahren (Insolvenzverschleppung) kann erhebliche Schäden bei den Lieferanten und Kunden des Unternehmens verursachen. Denn einerseits verringert sich das Vermögen des Unternehmens während seiner Fortführung immer weiter. Andererseits werden durch neue Vertragsabschlüsse weitere Verbindlichkeiten begründet, die eigentlich mehr erfüllt werden können. Diese Entwicklung geht zulasten der Gläubiger, denen dadurch selbst hohe Verluste drohen. Genau dies soll die Insolvenzantragspflicht verhindern.
- Darüber hinaus käme es im Falle einer Insolvenz zu einem „Wettlauf“ zwischen den Gläubigern. Der besser und früher informierte Gläubiger würde sehr schnell Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einleiten und wäre damit besser gestellt als andere Gläubiger.
- Je früher ein Unternehmen Insolvenz anmeldet, desto besser stehen seine Chancen, dass es durch Umstrukturierungsmaßnahmen saniert und gerettet werden kann. Der Betrieb gewinnt so seine Wettbewerbsfähigkeit zurück und kann wieder gewinnbringend am Wirtschaftsleben teilnehmen.
Für wen besteht eine Pflicht zur Beantragung der Insolvenzeröffnung?
§ 15a InsO verpflichtet juristische Personen, rechtzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen. Damit sind Personenvereinigungen bzw. Zweckvermögen gemeint, die per Gesetz als rechtlich selbstständig anerkannt sind.
Als Faustregel gilt: Kapitalgesellschaften unterliegen der Insolvenzantragspflicht, Personengesellschaften hingegen nicht. Letztere sind von dieser Pflicht ausgenommen, weil die Gesellschafter als „Eigentümer“ bzw. Inhaber der Gesellschaft mit ihrem privaten Vermögen haften, während die Haftung einer Kapitalgesellschaft auf das Gesellschaftsvermögen begrenzt und ein „Durchgriff“ auf Privatvermögen ausgeschlossen ist. Dieses Haftungsprivileg ist ein weiterer Grund für die Insolvenzantragspflicht.
Demnach besteht insbesondere für folgende Kapitalgesellschaften eine Insolvenzantragspflicht: GmbH, UG und AG sowie die ausländischen Rechtsformen der Ltd. (englisch), Sàrl (französisch) und SA (spanisch).
Die Antragspflicht besteht nach Wortlaut des § 15a InsO auch für ausländische juristische Personen, die ihren center of main interest in Deutschland haben.
Einen Sonderfall stellt die Personengesellschaft der GmbH & Co. KG dar. Sie unterliegt der Antragspflicht, weil der persönlich haftende Gesellschafter hier keine natürliche Person ist, sondern eine GmbH.
Auch eingetragene Vereine (e.V.) sind juristische Personen. Trotzdem besteht für einen solchen Verein keine Insolvenzantragspflicht im Sinne von § 15a InsO. Allerdings greift hier § 42 Abs. 2 BGB:
„Der Vorstand hat im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Wird die Stellung des Antrags verzögert, so sind die Vorstandsmitglieder, denen ein Verschulden zur Last fällt, den Gläubigern für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich; sie haften als Gesamtschuldner.“
Die folgende Übersicht veranschaulicht noch einmal, welche Schuldner der Antragsplicht unterliegen und welche nicht:
Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO:
- GmbH
- GmbH & Co. KG
- UG
- AG
- Limited (Ltd.)
- Sàrl
- SA
keine Antragsplicht nach § 15a InsO:
- natürliche Personen (Verbraucher) – auch wenn sie ein Gewerbe betreiben oder selbstständig sind
- KG
- OHG
- GbR
- eK
- e.V.
Die Insolvenzantragspflicht besteht dabei für das Leitungsorgan des Unternehmens. Das ist in der Regel der Geschäftsführer. Wenn es mehrere Mitglieder in einem Organ gibt, so sind sie alle gleichermaßen verpflichtet, Insolvenz anzumelden.
Es kommt aber auch vor, dass es gar kein Leitungsorgan mehr gibt, z. B. weil der Geschäftsführer abberufen wurde, verstorben ist oder sein Amt niedergelegt hat. Im Falle einer solchen Führungslosigkeit trifft die Insolvenzantragspflicht bei der GmbH die Gesellschafter. Ähnlich verhält es sich bei anderen führungslosen Unternehmen.
Voraussetzungen und Frist für die Insolvenzantragspflicht
Um im Rahmen eines Insolvenzverfahrens eine optimale Gläubigerbefriedigung zu gewährleisten, ist die Unternehmensfortführung in zwei Fällen verboten – im Falle einer Zahlungsunfähigkeit und bei einer Überschuldung des Unternehmens. Bei diesen beiden Insolvenzgründen ist ein Insolvenzantrag zu stellen. Keine Insolvenzantragspflicht besteht hingegen bei drohender Zahlungsunfähigkeit.
- Zahlungsunfähigkeit: Das Unternehmen kann fälligen Zahlungspflichten nicht mehr nachkommen (und hat vielleicht auch schon die Zahlungen eingestellt)
- Überschuldung: Das Schuldvermögen deckt die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr ab. (Eine Unternehmensfortführung ist in den kommenden zwölf Monaten eher unwahrscheinlich.)
Laut Insolvenzordnung muss der Insolvenzantrag „ohne schuldhaftes Zögern“, spätestens aber „drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung“ gestellt werden.
Diese Vorschrift zur Insolvenzantragspflicht wird oft dahingehend missverstanden, dass das Leitungsorgan drei Wochen Zeit hat, um die Insolvenz zu beantragen. Das ist falsch. Vielmehr besagt § 15a InsO Folgendes zur Antragsfrist:
- Das Vertretungsorgan muss die Insolvenzeröffnung so schnell wie möglich nach dem objektiven Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung beantragen.
- Die Frist hierfür beginnt in dem Moment, in dem das Vorliegen einer dieser beiden Insolvenzgründe objektiv erkennbar ist. Es kommt also nicht auf die positive Kenntnis des Organs von der Insolvenzreife an. Deshalb müssen sich die Verantwortlichen ständig über die finanzielle Situation des Unternehmens informieren.
- Die dreiwöchige Frist stellt also eine Höchstfrist dar. Sie darf nur dann ausgeschöpft werden, wenn innerhalb dieser drei Wochen eine Unternehmenssanierung zu erwarten war.
Rechtsfolgen einer Verletzung der Insolvenzantragspflicht
Kommen die Verantwortlichen ihrer Antragspflicht nicht (rechtzeitig) nach, müssen sie zivil- und strafrechtliche Konsequenzen fürchten:
- Sie sind den Gläubigern und der juristischen Personen gegenüber zu Schadensersatz verpflichtet.
- Sowohl die vorsätzliche als auch die fahrlässige Verletzung der Antragspflicht ist als Insolvenzverschleppung strafbar.