Annahmeverzug nach §§ 293 ff. BGB – Das Wichtigste in Kürze
Ein Gläubiger gerät in Verzug, wenn er die ordnungsgemäß angebotene Leistung des Schuldners nicht annimmt. Er verweigert beispielsweise unberechtigt die Annahme der vereinbarungsgemäß gelieferten Ware. Eine ausführliche Erläuterung lesen Sie hier.
Eine Rechtsfolge des Gläubigerverzugs ist, dass der Gläubiger die Mehraufwendungen ersetzen muss, die dem Schuldner für das erfolglose Angebot entstehen. In diesem Abschnitt fassen wir die Folgen etwas genauer zusammen.
Bei einem Arbeitgeber bedeutet Verzug, dass er die ihm angebotene Arbeitsleistung seines Mitarbeiters nicht annimmt oder nicht annehmen kann. Er muss dann trotzdem das volle Gehalt zahlen. Ausführlichere Informationen und Beispiele finden Sie an dieser Stelle.
Inhaltsverzeichnis
Annahmeverzug bzw. Gläubigerverzug einfach erklärt
Wenn ein Schuldner die fällige Leistung nicht erbringt, gerät er in Schuldnerverzug. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Käufer eines Kühlschranks die Rechnung über den Kaufpreis trotz Mahnung des Gläubigers nicht bezahlt.
Auch Gläubiger können bei jeder Art von Vertrag in Verzug geraten. Bei einem Kaufvertrag liegt Annahmeverzug zum Beispiel vor, wenn der Käufer einer Einbauküche zum vereinbarten Liefertermin nicht zuhause ist, sodass das Transportunternehmen umsonst vor der Tür steht.
Damit bildet der Annahmeverzug das Gegenstück zum Schuldnerverzug. Laut § 293 BGB kommt der Gläubiger in Verzug, „wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt.“ Allerdings müssen für einen solchen Gläubigerverzug einige Voraussetzungen erfüllt sein.
Voraussetzungen für einen Annahmeverzug beim Gläubiger
Zunächst einmal gerät der Gläubiger nicht durch jede Annahmeverweigerung in Verzug. Er muss die Annahme vielmehr unberechtigt verweigern. Der Käufer darf zum Beispiel als Gläubiger die Annahme der Kaufsache verweigern, wenn diese Mängel oder Defekte aufweist.
Das Gesetz sieht folgende Voraussetzungen für einen Gläubigerverzug vor:
- Erfüllbarkeit der Leistung: Der Schuldner muss die Leistung zur richtigen Zeit, am richtigen Ort und in der richtigen Art und Weise anbieten. Haben die Vertragsparteien keinen Leistungszeitpunkt (z.B. kein Lieferdatum) vereinbart, so ist die Leistung sofort erfüllbar. Für Eintritt der Fälligkeit darf der Gläubiger die Leistung jedoch nicht verlangen.
- Leistungsbereitschaft und -fähigkeit des Schuldners: Der Schuldner muss zur Leistung bereit sein. Ist er auch nur vorübergehend nicht in der Lage zu leisten und beispielsweise die Ware zu liefern, so tritt kein Annahmeverzug ein.
- Nichtannahme der Leistung: Der Gläubiger gerät in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt oder erforderliche Mitwirkungshandlungen unterlässt, indem er beispielsweise die Ware nicht wie vereinbart abholt. Zu guter Letzt tritt Gläubigerverzug auch dann ein, wenn der Gläubiger bei einem gegenseitigen vertrag wie dem Kaufvertrag die Leistung des Schuldners zwar annimmt, allerdings ohne selbst die von ihm geschuldete Gegenleistung zu erbringen.
Der Annahmeverzug setzt kein Verschulden des Gläubigers voraus. Er gerät deshalb auch dann in Verzug, wenn er zum Beispiel erkrankt und die Leistung deshalb nicht annehmen kann.
Rechtsfolgen des Gläubigerverzugs
Anders als der Schuldnerverzug hat der Annahmeverzug nicht ganz so schwerwiegende Konsequenzen. So kann der Schuldner für den Gläubigerverzug gewöhnlich keinen Schadensersatz verlangen. Das liegt daran, dass ein Gläubiger, der die Leistung nicht annimmt, lediglich eine Obliegenheit verletzt – anders als der Schuldner, der eine (Haupt-) Leistungspflicht verletzt, wenn er in Verzug gerät. Stattdessen hat ein Annahmeverzug diese Folgen:
- Das Schuldverhältnis, also beispielsweise der Kaufvertrag, besteht weiterhin fort und der Schuldner ist auch weiterhin zur Leistung verpflichtet. Er kann allerdings laut § 304 BGB den „Ersatz der Mehraufwendungen verlangen, die er für das erfolglose Angebot sowie für die Aufbewahrung und Erhaltung des geschuldeten Gegenstands machen musste“.
- Darüber hinaus führt der Verzug des Gläubigers zu einer Haftungsprivilegierung des Schuldners. Er haftet nur noch für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz. Ein Beispiel: Ein Gebrauchtwagenhändler vereinbart mit dem Käufer eines alten VW Käfer die Anlieferung des Gebrauchtwagens. Zum vereinbarten Liefertermin trifft der Verkäufer dem Käufer aber nicht an und bringt den Wagen wieder zurück. Auf der Rückfahrt wird er unverschuldet in einen Unfall verwickelt und der VW Käfer dabei beschädigt. Trotzdem muss der Käufer den vollen Kaufpreis bezahlen, erhält aber nur den beschädigten VW.
Sonderfall: Annahmeverzug des Arbeitgebers
Auch Arbeitgeber geraten als Gläubiger in Verzug, wenn sie die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers unberechtigterweise verweigern oder diese nicht annehmen können. Das ist beispielsweise in folgenden Situationen der Fall:
- Der Arbeitgeber kündigt dem Arbeitnehmer und beschäftigt ihn danach nicht mehr. Im Kündigungsschutzprozess stellt das Arbeitsgericht hingegen fest, dass die Kündigung unwirksam ist, sodass das Arbeitsverhältnis während der gesamten Zeit weiterhin bestand.
- Der Arbeitgeber stellt den Arbeitnehmer aus wirtschaftlichen Gründen frei, der Arbeitnehmer zeigt jedoch weiterhin seine Bereitschaft zu arbeiten. Auch hier liegt Annahmeverzug vor, weil der Arbeitgeber das Betriebsrisiko trägt, ausreichend Arbeit oder Aufträge zu haben.
- Ein Angestellter kehrt aus seinem Urlaub in einem Corona-Risikogebiet zurück und legt dem Arbeitgeber einen negativen PCR-Test vor. Trotzdem verweigert dieser seinem Beschäftigten den Zutritt und schickt ihn in Quarantäne. Damit gerät der Arbeitgeber nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts in Annahmeverzug (Urteil vom 10.08.2022, Az. 5 AZR 154/22).
Nach § 615 BGB schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer während des Gläubigerverzugs die volle Vergütung, ohne dass der Beschäftigte die „versäumte“ Arbeitszeit nachholen muss.