Im Überblick: Gläubigerbevorzugung
Sobald das Insolvenzverfahren eröffnet ist, dürfen Schuldner nicht mehr an ihre Gläubiger leisten. Bezahlen sie dennoch dessen Geldforderung, so droht ihnen eine Strafe, wenn sie den entsprechenden Gläubiger „dadurch absichtlich oder wissentlich“ begünstigen.
Die Gläubigerbegünstigung stellt bestimmte Handlungen eines zahlungsunfähigen Schuldners unter Strafe, sobald er seine (sonstigen) Zahlungen eingestellt, das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet oder mangels Masse abgewiesen wurde.
In den oben benannten Situationen haben alle Gläubiger ein berechtigtes Interesse daran, gleichmäßig befriedigt zu werden. Durch die Begünstigung eines einzelnen Gläubigers gefährdet oder vereitelt der Schuldner die gesetzlich vorgeschriebene Art und Weise, nach der die Insolvenzmasse (pfändbares Schuldnervermögen) verteilt werden muss.
Einer wird bevorzugt zum Nachteil aller Anderen
Inhaltsverzeichnis
Redlichen Schuldnern stellt der Gesetzgeber nach dem Insolvenzverfahren eine Restschuldbefreiung in Aussicht.
Unredlichen Schuldnern hingegen droht nicht nur die Versagung der Restschuldbefreiung, sondern unter Umständen auch eine saftige Strafe, wenn sie ihre Gläubiger vorsätzlich schädigen wollen. Eine solche Insolvenzstraftat ist etwa die Gläubigerbegünstigung nach § 283c Strafgesetzbuch (StGB).
Tatbestandsvoraussetzungen der Gläubigerbegünstigung
Wenn ein Schuldner zahlungsunfähig ist, kann das auch existentielle Folgen für seine Gläubiger haben. Hohe Zahlungsausfälle führen schnell dazu, dass ein Gläubiger selbst seine finanziellen Verbindlichkeiten nicht erfüllen kann. Im schlimmsten Fall droht auch ihm die Insolvenz.
Gläubiger haben ein berechtigtes Interesse daran, im Rahmen eines Insolvenzverfahrens mindestens einen Teil ihrer Forderung getilgt zu bekommen. Hierfür wird das pfändbare Schuldnervermögen (= Insolvenzmasse) herangezogen. Und sie müssen sich darauf verlassen können, dass diese Masse gerecht zwischen allen Gläubigern verteilt wird.
Die Gläubigerbegünstigung nach § 283c StGB stellt solche Handlungen eines Schuldners unter Strafe, die dieses Gläubigerinteresse an einer gerechten Verteilung der Insolvenzmasse vereiteln sollen. Unter folgenden Voraussetzungen muss sich ein Schuldner vor dem Strafgericht verantworten:
Zahlungsunfähiger Schuldner als Täter und Tathandlung
§ 283c StGB beginnt mit den Worten: „Wer in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit einem Gläubiger eine Sicherheit oder Befriedigung gewährt, […]“.
Demnach kommt nur der zahlungsunfähige Schuldner als Täter in Betracht oder eine andere Person, die für ihn handelt. Der Schuldner ist also nicht mehr in der Lage, seine fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Und er weiß von seiner Zahlungsunfähigkeit.
Trotzdem befriedigt (bezahlt) der insolvente Schuldner einen Gläubiger oder gewährt diesem eine Sicherheit, „die dieser nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hat“ (§ 283c I StGB).
Das heißt, eine Gläubigerbegünstigung kommt nur dann in Betracht, wenn der Gläubiger zum fraglichen Zeitpunkt gar keinen Anspruch gegen den Schuldner besitzt, …
- etwa weil die Forderung bereits verjährt ist
- oder weil der Schuldner nicht in der vereinbarten Form leistet, z. B. Sicherungsübereignung oder Einräumung eines Pfandrechts anstelle der vereinbarten Überweisung des Geldbetrags.
Wichtig ist dabei, dass die Leistung bzw. die Gewährung einer Sicherheit aus der (zukünftigen) Insolvenzmasse erfolgt.
Taterfolg: Wie wirkt sich die Gläubigerbegünstigung aus?
Zum Personenkreis der Begünstigten können Insolvenzgläubiger, Massegläubiger oder Absonderungsberechtigte gehören.
Die Rechtsstellung des begünstigten Gläubigers verbessert sich – zum Nachteil aller anderen Gläubiger. Deren Nachteil liegt darin, dass der Schuldner mit seiner Tat die (zukünftige) Insolvenzmasse verringert hat und demnach weniger Schuldnervermögen zur Verfügung steht, um die übrigen Schulden zu tilgen.
Übrigens kann der zahlungsunfähige Schuldner auch dann vor dem Gericht landen, wenn der von ihm beabsichtigte Erfolg der Gläubigerbegünstigung ausbleibt. Denn auch der Versuch ist strafbar.
Vorsatz und weitere zwingende Voraussetzungen für die Strafbarkeit
§ 283c StGB verweist auf eine weitere Vorschrift, den § 283 VI StGB. Danach macht sich ein zahlungsunfähiger Schuldner nur dann strafbar, wenn …
- er seine Zahlungen eingestellt hat oder
- das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet oder
- den Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen hat.
Darüber hinaus muss der Schuldner auch vorsätzlich gehandelt haben. Das setzt einerseits voraus, dass er seine Zahlungsunfähigkeit kannte. Andererseits muss er die Begünstigung beabsichtigt oder zumindest davon gewusst haben.
Strafrahmen bei der Gläubigerbegünstigung
Der Gesetzgeber sieht für diese Insolvenzstraftat eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren vor.
Welche Strafe der Schuldner zu erwarten hat, entscheidet das Strafgericht anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls, insbesondere:
- der für die übrigen benachteiligten Gläubiger entstandene Schaden
- Motiv des Schuldners für seine Tat
- gegebenenfalls bestehende Vorstrafen des Schuldners