Vollstreckungsabwehrklage: Das Wichtigste in Kürze
Mit der Vollstreckungsabwehrklage bzw. Vollstreckungsgegenklage macht der Vollstreckungsschuldner Einwendungen gegen einen Vollstreckungstitel geltend, die erst nach der letzten mündlichen Verhandlung zum Vorprozess entstanden sind. Anders ausgedrückt: Der Schuldner wehrt sich damit gegen die Zwangsvollstreckung.
Nein, eine bestimmte gesetzliche Frist für die Vollstreckungsgegenklage ist nicht vorgesehen. Hier lesen Sie mehr.
Es entstehen Gerichtskosten und Gebühren für den eigenen und gegnerischen Anwalt. Die Höhe bemisst sich nach dem Streitgegenstand. Näheres erfahren Sie in diesem Abschnitt.
Inhaltsverzeichnis
Wozu dient die Vollstreckungsabwehrklage?
Um zu gewährleisten, dass Zwangsvollstreckungsmaßnahmen reibungslos von statten gehen, prüft das Vollstreckungsorgan (Gerichtsvollzieher oder Vollstreckungsgericht) nicht, ob eine titulierte Forderung materiell rechtmäßig ist, sprich ob der Anspruch überhaupt (noch) besteht.
Dennoch haben Schuldner verschiedene Möglichkeiten, um sich gegen eine Zwangsvollstreckung zu wehren. Eine Möglichkeit ist die Vollstreckungsabwehrklage (auch: Vollstreckungsgegenklage) gemäß § 767 ZPO. Mit ihr macht der Schuldner Einwendungen gegen die titulierte Forderung geltend, …
- die erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung zum ursprünglichen Prozess entstanden sind und
- die nicht in diesem Ausgangsprozess hätten erhoben werden können.
Er will damit erreichen, dass die Zwangsvollstreckung für (teilweise) unzulässig erklärt und deswegen eingestellt oder zumindest beschränkt wird, § 775 Nr. 1 ZPO. Folglich richtet sich die Vollstreckungsgegenklage gegen die Vollstreckbarkeit eines Titels (z. B. eines vorinstanzlichen Endurteils), wenn der Anspruch nicht (mehr) oder nicht in der titulierten Höhe besteht.
Typische Einwendungen, die der Vollstreckbarkeit entgegenstehen, sind z. B.:
- Erfüllung der Forderung nach dem Ausgangsprozess
- Stundungsvereinbarung, die nach der mündlichen Verhandlung zum Ursprungsprozess getroffen wurde
- Forderungserlass
- Aufrechnung mit einer Forderung des Schuldners gegen seinen Gläubiger
Beispiel: Gläubiger G verklagt seinen Schuldner S auf Zahlung der Kaufpreissumme in Höhe von 10.000 Euro. G gewinnt den Prozess, woraufhin S den Kaufpreis anstandslos bezahlt. In diesem Ursprungsprozess (Vorinstanz) ist der Gläubiger der Kläger und sein Schuldner der Beklagte.
Obwohl S die Kaufpreisforderung in voller Höhe begleicht, also erfüllt, betreibt G die Zwangsvollstreckung gegen ihn. Hiergegen kann sich S mit einer Vollstreckungsabwehrklage gegen seinen Gläubiger wehren. In diesem Prozess sind die Rollen vertauscht: Nun ist der (Vollstreckungs-)Schuldner der Kläger und der Gläubiger der Beklagte.
- Die Vollstreckungsgegenklage ist eine prozessuale Gestaltungsklage. Sie beseitigt im Erfolgsfall nur die Vollstreckbarkeit des Titels, also beispielsweise das erstinstanzliche Endurteil, nicht jedoch den Titel selbst.
- Die verlängerte Vollstreckungsabwehrklage hingegen ist eine Leistungsklage, die der Schuldner nach oder anstelle einer Vollstreckungsgegenklage erhebt, um damit heraus zu verlangen, was der Gläubiger durch eine unberechtigte Pfändung erlangt hat.
Zulässigkeit der Zwangsvollstreckungsabwehrklage
Wenn ein Rechtsanwalt für seinen Mandanten die Erfolgsaussichten einer Klage prüft, dann hält er dabei eine bestimmte Vorgehensweise ein. Auch die Prüfung einer Vollstreckungsabwehrklage folgt einer bestimmten Methode. So nimmt der Anwalt zuerst die Zulässigkeitsvoraussetzungen der jeweiligen Klage unter die Lupe. Wenn diese erfüllt sind, prüft er die Begründetheit, das heißt den eigentlichen Streitgegenstand. Auch Richter folgen bei der Vollstreckungsgegenklage diesem Aufbau.
Die Vollstreckungsgegenklage muss zunächst zulässig sein. Das bedeutet, sie muss in der gesetzlich vorgegebenen Form und ggf. fristgerecht erhoben werden. Wenn das nicht der Fall ist, verwirft das Gericht die Klage, ohne dass es den eigentlichen Streitgegenstand (Vollstreckbarkeit des Titels) näher prüft.
Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen zählen vor allem:
- Statthaftigkeit der Klage
- Klageerhebung beim zuständigen Gericht
- Rechtsschutzbedürfnis des Schuldners als Kläger
Statthaftigkeit bedeutet, dass der Vollstreckungsschuldner seinen Klageantrag darauf richten muss, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären. Hierfür muss er materielle Einwendungen oder Einreden gegen die titulierte Forderung geltend machen.
Dabei muss es sich beim Titel nicht unbedingt um ein Endurteil handeln. Vielmehr kann sich die Vollstreckungsgegenklage gegen einen Vollstreckungsbescheid richten. Sie kommt auch bei der Vollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss in Betracht oder bei einer notariellen Urkunde, in welcher sich der Schuldner der sofortigen Vollstreckbarkeit unterwirft.
Für die Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage ist folgender Antrag statthaft:
„Es wird beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem [näher bezeichneten Titel] bis zum […] für unzulässig zu erklären.“
Für die Vollstreckungsabwehrklage ist das Prozessgericht des ersten Rechtszugs sachlich und örtlich zuständig. Sie muss also bei dem Gericht erhoben werden, das die Forderung tituliert hat.
Betreibt der Gläubiger die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde, so ist die Zwangsvollstreckungsgegenklage bei dem Gericht zu erheben, das erstinstanzlich für den ursprünglichen Rechtsstreit zuständig wäre.
Was bedeutet Rechtsschutzbedürfnis und wann fehlt es?
Egal welches Rechtsmittel Sie einlegen wollen, das Gericht wird immer ein Auge darauf werfen, ob Sie ein berechtigtes Interesse daran haben, in diesem konkreten gerichtlichen Verfahren Rechtsschutz zu beanspruchen. Wenn diese Prozessvoraussetzung fehlt, wird das Gericht das Rechtsschutzbegehren abweisen.
Ein Schuldner kann dann Vollstreckungsgegenklage erheben, sobald der Vollstreckungstitel erlassen wurde – und zwar noch bevor die Vollstreckungsklausel erteilt oder umgeschrieben wurde.
Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt insbesondere erst dann, wenn …
- die Zwangsvollstreckung beendet ist,
- der Gläubiger den Vollstreckungstitel an den Schuldner herausgegeben hat oder
- dieser ganz zweifellos keine Vollstreckungsmaßnahmen beabsichtigt,
- der Schuldner Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid eingelegt hat oder
- wenn es gar keinen Vollstreckungstitel gibt
Zwar gibt es für die Erhebung der Vollstreckungsabwehrklage keine gesetzliche Frist. Dennoch spielt der zeitliche Moment im Rahmen des Rechtsschutzbedürfnisses eine Rolle. Steht die Zwangsvollstreckung unmittelbar bevor, etwa weil der Gläubiger den Vollstreckungstitel an den Schuldner zustellen ließ, so ist das Rechtsschutzbedürfnis regelmäßig zu bejahen. Anders sieht es aus, wenn der Schuldner bereits Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt hat.
Welche Kosten verursacht eine Vollstreckungsabwehrklage?
Wie bei anderen Rechtsmitteln setzen sich auch bei der Vollstreckungsabwehrklage die Kosten aus verschiedenen Faktoren zusammen:
- Gerichtskosten für die Vollstreckungsabwehrklage
- eigene und gegnerische Anwaltskosten, sofern Schuldner und Gläubiger einen Rechtsanwalt beauftragen
Personen mit einem zu geringen Einkommen können gegebenenfalls Prozesskostenhilfe (PKH) beantragen. Deren Bewilligung hängt einerseits von der Höhe des Einkommens ab und andererseits von den Erfolgsaussichten der Klage.
Wer die Anwaltskosten und Gebühren der Vollstreckungsabwehrklage letztendlich zu tragen hat, entscheidet das Gericht nach den Regeln der §§ 91 ff. ZPO. Hierbei gilt die Faustregel, dass die unterliegende Partei für sämtliche Kosten aufkommen muss.
Begründetheit der Vollstreckungsgegenklage: Entscheidung in der Sache
Begründetheit meint die inhaltliche Entscheidung des Gerichts über den Streitgegenstand. Es prüft dabei, ob die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen seinen Klageantrag rechtfertigen. Das heißt bei der Vollstreckungsabwehrklage, dass der Schuldner als Kläger alle Fakten darlegen und gegebenenfalls auch beweisen muss, die seine Einwendungen gegen die Vollstreckbarkeit des Titels belegen.
Weiterhin darf seine Einwendung nicht im Sinne von § 767 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen (präkludiert) sein. In dieser Vorschrift heißt es:
„Sie [die Einwendungen] sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können.“
Diese Regelung macht deutlich, dass die Vollstreckungsgegenklage nicht dazu dient, dass der Vollstreckungsschuldner nachträglich Einwendungen vorbringen kann, deren Geltendmachung er im Ausgangsprozess versäumt hat.
Das heißt, er darf seine Vollstreckungsabwehrklage nur auf solche Einwendungen stützen, die erst nach der letzten mündlichen Verhandlung des Ausgangsprozesses entstanden sind. Als solche kommen vor allem die Erfüllung des Anspruchs oder eine Aufrechnung nach der letzten mündlichen Verhandlung in Betracht.
Hierfür kommen folgende (Gegen-)Rechte des Vollstreckungsschuldners in Frage:
- Erfüllung des titulierten Anspruchs
- Abtretung der Forderung an einen Dritten
- Vergleich zwischen Vollstreckungsschuldner und seinem Gläubiger
- Stundungsvereinbarung (Zahlungsaufschub)
- Verzicht des Gläubiger auf die (Durchsetzung der) Forderung
- Vollstreckungsgegenklage wegen Verwirkung oder Verjährung des Anspruchs
Die Prüfung der Begründetheit kann sehr schwierig und komplex sein, zumal es in manchen Fällen sehr umstritten ist, ob beispielsweise eine geltend gemachte Anfechtung oder ein Rücktritt die Vollstreckungsgegenklage begründet.
Der Richter prüft in diesem Zusammenhang, ob die vom Kläger (Vollstreckungsschuldner) vorgetragenen und bewiesenen Tatsachen die geltend gemachte Einwendung tatsächlich begründen oder ob das Bestreiten des beklagten Gläubigers dem entgegensteht. Hier können z. B. die verschiedensten Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zur Anwendung kommen.
Aus diesem Grund ist es sehr wichtig und elementar für den Erfolg einer Klage, Antrag und Klagebegründung sehr sorgfältig zu verfassen. Ein Muster für die Vollstreckungsabwehrklage kann diesen Anforderungen nicht gerecht werden, weil gerade die Begründung sehr individuell ist und maßgeblich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängt. Statt eine Vorlage zu nutzen, sollten Sie sich daher lieber an einen spezialisierten Anwalt wenden.
Die Gerichtsvollzieherin empfahl hinter vorgehaltener Hand, das Versäumnisurteil welches das Gericht nach Nichtbeachtung meiner fristgerecht eingegangenen Gegendarstellung verfaßt hatte, per Vollstreckungsabwehrklage anzugehen.
Hier ist zwar gut und verständlich dargestellt, aber mir ist noch nicht klar, ob bei Verfahrensfehlern des GERICHTES, die V.-Klage auch das richtige Mittel ist?
DANKE!