Auf den ersten Blick wirkt die zweite Stufe der Insolvenzrechtsreform wie eine Verbesserung der Situation für die Schuldner. Denn von nun an können Sie schon nach 3 oder 5 Jahren ihre Schulden loswerden. So einfach ist es jedoch leider nicht. Denn wenn man genau hinschaut, sieht man, dass im Endeffekt vor allem die Gläubiger- und Insolvenzverwalterrechte gestärkt wurden. Es wird nun deutlich einfacher, an pfändbare Masse heranzukommen. Und das auch bis zu 3 Monate rückwirkend. Realistisch sind eher Zeiten von bis zu 10 Jahren, bis die Schuldenfreiheit tatsächlich erreicht ist. Hinzu kommt, dass immer mehr Schuldenarten von der Restschuldbefreiung ausgenommen werden. Ab dem 01.07.2014 tritt die neue Insolvenzrechtsreform in Kraft. Es ist zu erwarten, dass die Gerichte durch die vielen Anträge, welche noch vor der Reform gestellt wurden, stark überlastet sind. Hinzu kommen die vielen Änderungen und der wahrscheinlich große Anlauf auf Insolvenzen mit der vermeintlichen Chance, schon nach 3 Jahren schuldenfrei zu sein. Die Neuerungen der zweiten Stufe der Reform betreffen größtenteils das Verbraucherinsolvenzverfahren.
Änderungen des Insolvenzrechts im Einzelnen:
Schuldenfrei nach 3 oder 5 Jahren?
Hört sich gut an, ist aber leider nur selten wirklich realistisch, denn hierfür muss der Schuldner innerhalb von 3 Jahren 35 Prozent der Forderungen zurückzahlen und die Verfahrenskosten stemmen. Hat ein Schuldner beispielsweise Gesamtschulden von 100.000 Euro, so muss er 35.000 Euro an die Gläubiger zurückzahlen und zusammen mit den Verfahrenskosten dürfte er leicht bei 40 bis 50.000 Euro liegen, die er wie beschrieben innerhalb der ersten drei Jahre komplett entrichten muss. Solche Rückzahlquoten in derart kurzer Zeit sind mehr als unüblich. Wir haben berichtet. „Nur die wenigsten verschuldeten Personen, die ein Insolvenzverfahren mit anschließender Restschuldbefreiung durchlaufen, werden in den Genuss der kurzen Laufzeit von 3 Jahren gelangen“ so Claudia Both, Leiterin der Schuldner- und Insolvenzberatung der Verbraucherzentrale Berlin.
Deutlich realistischer ist da schon die Verkürzung des Verfahrens auf 5 Jahre – hierfür muss der Schuldner jedoch in der Lage sein, die gesamten Verfahrenskosten in 5 Jahren zu entrichten.
Tipp: Beim Insolvenzverfahren muss für alles ein Antrag gestellt werden. Das heißt der Schuldner selbst muss ganz genau wissen, wann er was beantragen muss. Das ist jedoch eher selten der Fall. Daher wird zu einer professionellen Beratung oder sogar Betreuung über das gesamte Verfahren hinweg geraten.
Rückbuchungen und pfändbare Gegenstände
Vom 01.07. an kann der Insolvenzverwalter (ab jetzt schon ab dem ersten Jahr bei der Verbraucherinsolvenz) Rückbuchungen vornehmen. Und zwar bis zu 3 Monate rückwirkend. Vor der Änderung konnte dies nur auf Antrag der Gläubiger geschehen. Jetzt kann der Insolvenzverwalter dies eigenmächtig und im eigenen Interesse tun. Heißt im Klartext, hat der Schuldner bis zu 3 Monate vor Einreichen des Insolvenzantrags schon Gläubiger ausbezahlt, Schenkungen oder andere Zahlungen vorgenommen, so kann der Insolvenzverwalter diese per Gesetz zurückfordern.
Tipp: Idealerweise beginnt somit in Zukunft eine Schuldnerberatung in Berlin schon 3 Monate vor dem eigentlichen Antrag auf Insolvenz
Strikter werden die Regelungen auch bei pfändbaren Gegenständen, so können und müssen auch weniger wertvolle Gegenstände gepfändet werden. Unabhängig davon, ob der daraus tatsächlich erwirtschafte Gewinn mit dem Aufwand in Relation steht. So auch beim eigenen Auto…
…das Auto ist nun noch mehr gefährdet…
…denn das kann immer gepfändet werden, wenn es nicht absolut notwendig ist, um damit zur Arbeit zu kommen oder aus ähnlichen sehr triftigen Gründen. Der Wert des Autos ist im Gegensatz zu vorherigen Regelungen nicht mehr erheblich. Auch wenn das Auto nur noch 500 Euro oder weniger einbringt, wir es im Zweifel gepfändet.
Unterhaltszahlungen und Steuerschulden nicht mehr Teil der Restschuldbefreiung
Bislang wurden lediglich Ansprüche aus kriminellen Handlungen und Bußgelder oder ähnliches von der Restschuldbefreiung ausgenommen. Nun kommen zwei weitere Bestandteile hinzu. Forderungen aus Unterhalt und Steuerschulden können nun auch unter bestimmten Voraussetzungen von der Restschuldbefreiung ausgenommen werden.
Arbeitgeberdarlehen werden wohl schwieriger zu bekommen sein
Denn die Rückzahlungen bekommen keine höhere Priorität mehr. Diese können genauso wie andere Zahlungen ausgesetzt werden. Bislang waren diese für 2 Jahre geschützt. Eine Folge könnte sein, dass Arbeitgeber in Zukunft zweimal überlegen, ob sie tatsächlich ein Darlehen geben.
Versagung der Restschuldbefreiung jederzeit möglich
„Außerdem kann ein Gläubiger zukünftig grundsätzlich zu jedem Zeitpunkt des Insolvenzverfahrens einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung stellen“ so Claudia Both. Vorher war dies nur am Ende des jeweiligen Verfahrens möglich.
Was bedeutet das alles für Schuldnerberatungen
Aufgrund der zahlreichen Änderungen und Stärkungen der Gläubiger und Insolvenzverwalter in diversen Situationen hat sich die Beratungsintensität deutlich erhöht. Schuldnerberatungen müssen nun deutlich mehr potenzielle Szenarien in ihre Planungen mit einbeziehen.
Fazit
Durch die zweite Stufe wurden nicht nur Gläubiger- und Insolvenzverwalterrechte gestärkt sondern auch die Ausgaben des Staats im Schuldenfall einer Privatperson gesenkt. Denn vor der Reform hat in vielen Fällen der Staat den Treuhänder bezahlt. Auf Antrag einer Verfahrenskostenstundung durch den Schuldner für insgesamt 6 Jahre. Und auf einen zweiten Antrag sogar für weitere 4 Jahre. Dementsprechend hat der Staat oftmals für 10 Jahre Kosten der Schuldner übernommen. Hinzu kommt, dass diese Schulden nach 10 Jahren meist aus diversen Gründen nicht mehr eingetrieben wurden oder konnten. Nun wird der Schuldner durch potenziell verkürzte Schuldenbefreiung dazu animiert, diese Kosten selbst zu übernehmen.
Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung oder vollständige Aufstellung der Änderungen dar. Er gibt lediglich einen kurzen redaktionellen Überblick.